Wien: MAK zeigt "SHOWROOM WIENER WERKSTÄTTE. Ein Dialog mit Michael Anastassiades"
Foto: © Michael Anastassiades
Foto: © MAK/Georg Mayer
Wien (OTS) - Mit der Ausstellung "SHOWROOM WIENER WERKSTÄTTE. Ein Dialog mit Michael Anastassiades" (MAK-Schausammlung Gegenwartskunst, 6. Oktober 2021 – 2. Oktober 2022) lenkt der in Zypern geborene und in London tätige Designer den Blick auf das facettenreiche Design der Wiener Werkstätte (WW). Im Saal oberhalb der MAK-Schausammlung Wien 1900 kombiniert Anastassiades Objekte aus der umfangreichen Sammlung von Ernst Ploil mit Exponaten aus der MAK-Sammlung. Mit seiner Ausstellungsgestaltung schafft er eine spannende Inszenierung und eröffnet damit neue, zeitgenössische Perspektiven auf die prägende Ära der Wiener Moderne. Mit seinen reichen Beständen zum Design und Kunstgewerbe aus dieser Epoche – darunter das gesamte Archiv der Wiener Werkstätte – und der großzügigen MAK-Schausammlung Wien 1900 gilt das MAK als internationales Kompetenzzentrum für die Wiener Moderne.
Das MAK setzt mit dieser Ausstellung seine jahrzehntelange Tradition fort, Künstler*innen und Designer*innen einzuladen, sich mit dem Museum und seiner Sammlung auseinanderzusetzen. Als Ausgangspunkt seiner Inszenierung wählt Anastassiades das schon in der Biedermeierzeit beliebte Element der Kugel, das auch bei WW-Möbeln häufig als Fußlement für Kästen verwendet wurde. Zwei große Podeste auf Messingkugeln dienen als Display für die präsentierten Objekte, die Anastassiades mit von ihm designten Kugellampen raffiniert in Szene setzt.
Michael Anastassiades’ Design oszilliert zwischen Skulptur und angewandter Kunst. Mit seinen materialgerecht gestalteten und präzise gefertigten Lustern, Tisch- und Möbelobjekten teilt er nicht nur den hohen Qualitätsanspruch, der die 1903 von den Künstlern Josef Hoffmann und Koloman Moser sowie dem Mäzen Fritz Waerndorfer gegründete Wiener Werkstätte prägt, sondern auch die Formensprache – besonders die der frühen WW. Hoffmann und Moser hatten bereits vor 1903 einen streng geometrischen, dabei äußerst eleganten Stil entwickelt, ablesbar etwa an den erstmals in der MAK-Ausstellung öffentlich gezeigten Möbeln für die Villa Waerndorfer aus der Sammlung Ploil. Ihr reduzierter Dekor aus blauen Linien auf weißem Grund lässt an den Konstruktivismus denken, der erst in den 1920er Jahren entstanden ist.
Besonders begeistern den Designer die berühmten Gitterobjekte der WW – Blumenvasen, Obstkörbe oder Tafelaufsätze aus perforiertem, weiß gestrichenem Eisenblech, die ebenfalls aus der Sammlung Ernst Ploil stammen. Die hier durchgängigen Motive des Rasters und des Quadrats galten als das Charakteristikum des frühen WW-Stils. Die Gitterbjekte waren äußerst beliebt und wurden zwischen 1904 und 1915 zunächst von der WW selbst und später in ihrem Auftrag von der Firma Christoph Cloeter in großer Zahl erzeugt. Ihre hybride Erscheinung zwischen Gebrauchsgegenstand und Architektur zeigt einmal mehr den spielerischen Zugang der WW, den sich auch Michael Anastassiades für seine Präsentation zu eigen macht.
Bewusst stört Anastassiades in "SHOWROOM WIENER WERKSTÄTTE" vertraute Sehweisen auf die berühmte Ära Wien um 1900: Sessel werden auf Stelzen gestellt und scheinen dadurch anthropomorph, Kästen werden rückseitig verspiegelt und eröffnen damit neue Perspektiven. Mit seinen einmal strengen, einmal verspielten Kugellampen rückt er die Objekte von allen Seiten ins rechte – fast magische – Licht und kommt damit seinem Credo nach: „The element of illumination is the most important thing. ‚The glow‘, as I refer to it, is where all the magic starts.“
Einen kuratorischen Schwerpunkt legt Anastassiades neben frühen WW-Objekten auch auf die spätere Formensprache eines Dagobert Peche oder einer Felice Rix, die Tapeten und Stoffe mit Pflanzen- und Tiermustern überzogen. So ist etwa eine Hängelampe von Peche mit abstrahiertem Weinblatt-Dekor ein weiteres besonderes Stück in der Schau.
Anastassiades’ Auswahl macht auch deutlich, wie demokratisch die WW ihre Idee des Gesamtkunstwerks entwickelte. Das Haus, die Wohnung, sogar Küche und Werkstatt sollten einem hohen gestalterischen Anspruch folgen. Ein in der Ausstellung gezeigter Küchensessel aus dem Sanatorium Purkersdorf, das 1904 nach Hoffmanns Entwurf errichtet wurde, ist mit derselben Sorgfalt gefertigt wie die Möbel in den repräsentativen Räumen. Ein blau lackierter Werkzeugkasten weist zudem auf das Farbkonzept der Werkstätten im WW-Firmensitz (Neustiftgasse 32–34, Wien VII.) hin, das die organisatorischen Abläufe vereinfachen sollte: In der Metallwerkstätte war alles rot, in der Buchbinderei alles grau, in der Tischlerei alles blau.
Besonders wichtig war den Gründern der WW die Wahl und die Verarbeitung des Materials – nie sollte sich ein billiger Gegenstand als etwas Wertvolles ausgeben. Das ist auch Anastassiades’ Zugang: „I don’t like materials that are trying to be something they’re not, such as plastics that are sprayed in finishes and made to look like metals.“
Ausgebildet als Industriedesigner am Royal College of Art in London, ist Anastassiades primär als Entwerfer von Beleuchtungskörpern bekannt, arbeitet aber auch in vielen an-deren Bereichen. Er kreierte Gläser für J. & L. Lobmeyr und zuletzt Möbel für die Gebrüder Thonet Vienna. Zudem ist er als Ausstellungs- und Raumgestalter tätig. Bereits 2012 wurde er vom MAK eingeladen, sich mit den Biedermeier-Interieurs im Geymüllerschlössel zu beschäftigen: Er schuf dort eine besonders poetische Intervention, indem er die zahlreichen Standuhren aus der Sammlung Sobek in den Raum rückte und zu heimlichen Bewohnern machte.
Pressefotos stehen unter MAK.at/presse zum Download bereit.
Die Ausstellung ist Teil des Projekts „ARTNOUVEAU2“ (2020–2022) und wird aus den Mitteln der Europäischen Union (EFRE, IPA II, ENI), INTERREG Danube Transnational Programme, mitfinanziert.
Quelle: OTS