AK Niederösterreich-Halbjahresbilanz: Beratungen aufgrund Covid-19 um 50 Prozent gestiegen

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AK Niederösterreich-Halbjahresbilanz: Beratungen aufgrund Covid-19 um 50 Prozent gestiegen
Foto: AK Niederösterreich/Scheichel
29 Jul 09:00 2020 von OTS Print This Article

Präsident Wieser: Mehr als 110.000 ArbeitnehmerInnen beraten - Kurzarbeit, Urlaubsverbrauch oder Fragen zur Risikogruppe standen im Mittelpunkt.

St. Pölten (OTS) - Auch in Niederösterreich hat die Covid-Pandemie das Arbeitsleben erheblich verändert. Von Kurzarbeit über Rekordarbeitslosigkeit bis hin zu Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz und allgemeiner Verunsicherung – die Anliegen der Betroffenen waren zahlreich. „Wir haben uns gerade in dieser schwierigen Zeit als verlässlicher Partner der niederösterreichischen ArbeitnehmerInnen erwiesen. 110.000 ArbeitnehmerInnen sind von unseren ExpertInnen beraten worden, um 50 Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2019“, so AK Niederösterreich-Präsident und ÖGB NÖ-Vorsitzender Markus Wieser.

Kaum jemals hat sich so deutlich gezeigt, wer das Land am Laufen hält: Die ArbeitnehmerInnen. In zahlreichen Schlüsselbereichen waren und sind sie vor große Herausforderungen gestellt: Sicherheitsvorschriften, erhöhte Arbeitsbelastung, Kurzarbeit auf der einen Seite, hohe Arbeitslosigkeit auf der anderen Seite.

Aufgrund dieser Ausnahmesituation ist vor allem die Zahl der telefonischen und der e-mail-Beratungen bei der AK Niederösterreich im ersten Halbjahr enorm gestiegen. „Die Hotlines waren bis 19 Uhr und sogar am Wochenende besetzt, denn es gab einen großen Informationsbedarf. Da ging es um Kurzarbeit, Urlaubsverbrauch, Home Office oder die Frage, ob jemand zu einer Risikogruppe gehört“, so AK Niederösterreich-Präsident und ÖGB NÖ-Vorsitzender Markus Wieser. Auch die Frage, wie sich ArbeitnehmerInnen vor einer Ansteckung schützen und was der Arbeitgeber dazu beiträgt, war von enormer Wichtigkeit für die Beschäftigten.

Viele Beratungen klärten offene rechtliche Fragen: „Die Situation hat sich laufend geändert, was auch die Arbeitgeber vor Unklarheiten gestellt hat. Durch unsere Vermittlung konnten viele Fragen ausgeräumt werden“, so Wieser. Er nennt als Beispiele falsch berechnete Kurzarbeitsvereinbarungen oder einseitige Urlaubsanordnungen außerhalb des Kurzarbeitsmodells.

Rechtliches: Klarheit statt Verwirrung gefordert

In vielen arbeitsrechtlichen Fragestellungen bewege man sich coronabedingt im Neuland. „Das heißt, es gibt zu manchen Themen weder Judikatur, die das Gesetz auslegt, geschweige denn Präzedenzfälle. Flapsige Aussagen von Politikern auf Pressekonferenzen sind also weder Gesetze noch Judikatur. Sie sorgen letztlich für mehr Verwirrung als Klarheit“, so Wieser.

Die Folgen merke man in der Beratung (fehlende Definition Risikogruppe), habe man aber auch bei den Corona-Strafen gesehen (immer mehr Strafen werden aufgehoben), ebenso wie bei den Ausgangsbeschränkungen (Betreten öffentlicher Räume).

Kündigungswelle wegen Corona: Auch Betriebsräte und Mutter in Elternteilzeit betroffen

Bei einem Waldviertler Unternehmen brachen wegen der Krise die Aufträge weg. Kurzarbeit kam für den Eigentümer aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht infrage. Er kündigte seine Beschäftigten mit drei Ausnahmen in Bausch und Bogen – auch die Betriebsräte und eine Mutter in Elternteilzeit. „Für Betriebsräte gibt es gutem Grund Kündigungsschutz“, schildert Thomas Kaindl, Arbeitsrechtsexperte und Leiter des Bereichs Regionale Aufgaben in der AK Niederösterreich. „Eine Kündigung ist nur möglich, wenn vorher das Arbeits- und Sozialgericht zustimmt.“ Das war nicht der Fall. Ebenso gilt Kündigungsschutz für die betroffene Mutter. „Der Unternehmer war nicht gesprächsbereit“, sagt Kaindl. „Wir werden für die Betroffenen wohl vor Gericht ziehen müssen.“

Schwangere Kellnerin gekündigt

Wenig Verständnis zeigte auch ein Weinviertler Wirt. Er kündigte kurz nach Inkrafttreten des Lockdown seine schwangere Kellnerin. „Das geht gar nicht“, schildert Kaindl. „Kündigungsschutz gilt ab Bekanntgabe der Schwangerschaft. Das hat die Betroffene ordnungsgemäß gemacht, nachweislich sogar noch vor Eintritt der Krise“ Zur Begründung zog sich der Gastwirt auf eine Formalität zurück, die aber unmittelbar mit Corona zusammenhängt: „Die Kellnerin wollte sich die Schwangerschaft schriftlich von einem Gynäkologen bestätigen lassen. Der Termin wurde wegen Corona abgesagt, das Gasthaus im Lockdown geschlossen. Deshalb kehrte sie in ihre Heimat Tschechien zurück, wo ihr ein dortiger Gynäkologe die Schwangerschaft bestätigte. Ihr Arbeitgeber weigert sich aber, das zu akzeptieren – obwohl er sogar eine beglaubigte Übersetzung des Attests bekommen hat.“

Der Fall ist noch offen, schildert Kaindl: „Die Beschäftigte befindet sich rechtlich gesehen nach wie vor in einem aufrechten Arbeitsverhältnis. Wir drängen darauf, dass ihr Arbeitgeber ihren Lohn bis zum Ende des Mutterschutz weiterbezahlt. Sollte er sich weiter weigern, werden wir das einklagen.“

Derzeit viele Fragen rund um den Urlaub, viele Probleme durch Krise verzögert

Ruhiger geworden ist es auch nach Ende des Lockdown nicht, sagt Doris Rauscher-Kalod, Leiterin der Abteilung Arbeits- und Sozialrecht der AK Niederösterreich. „Derzeit haben wir deutlich mehr Anfragen zum Thema Urlaub als sonst“. Die häufigsten Fragen: Muss ich den schon im Jänner vereinbarten Urlaub nehmen? Meine Reise wurde vom Reisebüro storniert, muss ich den Urlaub dennoch konsumieren? Darf ich ins Ausland fahren, muss ich dem Dienstgeber sagen wohin? Was sind die Risiken bei einer Reisewarnung des Außenministeriums?

Auch AK-Präsident Wieser erwartet, dass viele Krisen-Probleme noch bewältigt werden müssen: „Zahlreiche Verfahren, die wir für Beschäftigte vor dem Arbeits- und Sozialgericht eingebracht haben, haben sich durch die Krise verzögert. Auch das wird neben den nach wie vor zahlreichen Beratungen erheblichen Mehraufwand für unsere ExpertInnen verursachen.“ Ebenfalls ein Thema in den nächsten Monaten werden Insolvenzen sein. „Leider hat diese Krise erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft. Es wird sich zeigen, wie sehr Konjunkturpakete und die bisherigen Unterstützungen das Schlimmste verhindern können, aber in einzelnen Branchen wird man mit vermehrten Insolvenzen rechnen müssen“, sagt Wieser.


Quelle: OTS



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