vonOTS
JÄNNER 09, 2024
Vertrauen ist gut, Verteidigung ist besser
Seit mehreren Jahren lässt sich ein stetiger Anstieg an Schusswaffen in österreichischen Privathaushalten beobachten. Welche Gründe hinter diesem Zuwachs stecken, in welchen Situationen die Österreicherinnen und Österreicher bereit wären zur Waffe zu greifen und wie die allgemeine Meinung zur Gesetzeslage hierzulande aussieht, beleuchtet das digitale Markt- und Meinungsforschungsinstitut Marketagent in einer aktuellen Studie mit 932 Befragten im Alter von 20 bis 75 Jahren.
Selbstverteidigung als zentrales Motiv für WaffenbesitzMit über 120 Schusswaffen auf 100 Einwohner*innen sind die USA die unangefochtenen Weltmeister in Sachen Waffenbesitz. Auf Platz 13 (laut Small Arms Survey 2017) stellt Österreich zwar noch keine Konkurrenz im Kampf um diesen fragwürdigen Titel dar, doch auch in der Alpenrepublik wird seit einigen Jahren privat immer mehr aufgerüstet. „Das zentrale Motiv für Waffenbesitz stellt für die Bürgerinnen und Bürger hierzulande die Selbstverteidigung dar, also das Bedürfnis, sich in etwaigen Notfällen verteidigen zu können. Für Frauen steht auch die Sorge hinsichtlich steigender Kriminalität und deren Folgen im Vordergrund (43%), wohingegen es Männern besonders wichtig ist, ihre Familie beschützen zu können (34%)“, erläutert Thomas Schwabl, Geschäftsführer von Marketagent. Auch die vermehrten Krisen der vergangenen Zeit gehen nicht spurlos an den Österreicherinnen und Österreichern vorüber: Beinahe jede*r Vierte sieht darin einen Grund zur Anschaffung einer Schusswaffe, bei 20% steigt generell das Sicherheitsgefühl, wenn sie eine Waffe im Haus wissen.
Demgegenüber stehen die Argumente jener Personen, die keine Schusswaffe besitzen und sich dies auch nicht vorstellen könnten – mit fast 68% machen sie immer noch die Mehrheit hierzulande aus. Mehr als die Hälfte der Waffengegner*innen sehen keinen Grund für eine Anschaffung und vertreten die Meinung, Schusswaffen hätten in Privathaushalten generell nichts verloren. So wie das Sicherheitsbedürfnis als Pro-Argument für Waffenbesitz genannt wird, taucht es auch als Hinderungsgrund auf. Jede*r vierte Waffenablehner*in würde sich mit einer Schusswaffe im Haus nicht sicher fühlen, 18% möchten vermeiden, dass Kinder damit in Berührung kommen.
Großes Vertrauen in eigene FähigkeitenIns Auge stechen in diesem Zusammenhang auch Unterschiede hinsichtlich des Vertrauens in eine effektive Handhabung: Während unter den Waffenablehner*innen ein Drittel nicht an einen sinnvollen Einsatz im Ernstfall glaubt, ist die große Mehrheit der Besitzer*innen (83%) überzeugt, dass sie ihre Schusswaffe auch in Notfällen zielgerichtet anwenden könnten. Und das, obwohl fast die Hälfte der Waffenhalterinnen und -halter an einer Hand abzählen kann, wie oft sie pro Jahr mit ihrer Schusswaffe in Berührung kommen. Darunter fallen auch Trainings auf dem Schießstand, die - wenn überhaupt - für den Großteil (61%) maximal 3-mal jährlich auf dem Programm stehen.
Zu Unsicherheiten im Umgang mit der Waffe führt dies allerdings nicht, ganz im Gegenteil herrscht auffällig großes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. So bezeichnen sich jeweils rund 80% der heimischen Waffenbesitzer*innen als technisch versiert, treffsicher und in der Lage Revolver und Co. im Ernstfall sinnvoll und zielgerichtet einzusetzen. Bei näherer Betrachtung der Geschlechterstruktur wird deutlich, dass vor allem Männer großes Selbstvertrauen bezüglich ihrer Fähigkeiten an der Waffe zeigen, während Frauen ihr Können deutlich bescheidener bewerten.
In Anbetracht dieser kühnen Selbsteinschätzung ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich die Österreicherinnen und Österreicher in der Theorie auch nicht davor scheuen würden, in einer Notsituation von ihrer Schusswaffe Gebrauch zu machen. Jede*r zweite Waffenbefürworter*in gibt an, wenn nötig auf das Gegenüber zu schießen, sollte er oder sie mit einer Waffe bedroht werden. Als Opfer eines Überfalls könnte sich jede*r Dritte vorstellen einen Schuss abzufeuern und im Falle eines Einbruchs ins eigene Heim jede*r Vierte. Was in der Theorie nach effektiver Selbstverteidigung klingt, könnte an der praktischen Umsetzung scheitern: 9 von 10 Personen geben an, ihre Schusswaffe stets vorschriftsgemäß ein- und aufbruchssicher verschlossen aufzubewahren, was die Frage aufwirft, wie rasch diese bei Auftreten eines unerwarteten Ernstfalls tatsächlich einsatzbereit wäre.
Politische Gräben in Hinblick auf die GesetzeslageDie Grundsatzfrage nach der Akzeptanz von privatem Waffenbesitz spaltet die Bevölkerung, wobei die Gruppe der Ablehner*innen (59%) beinahe doppelt so groß ist wie die der Befürworter*innen (29%). Deutliche Differenzen lassen sich zwischen den politischen Lagern erkennen: Während fast die Hälfte der Respondent*innen, die sich selbst rechts der Mitte verorten, pro Waffenbesitz votiert, lehnt die überwiegende Mehrheit der eher linksgerichteten Befragten dies ab (74%).
Einigkeit herrscht dagegen bei der Frage, was wichtiger ist: das Recht auf Waffenbesitz oder die Kontrolle über Waffen. In eindeutiger Mehrheit sprechen sich 86% der österreichischen Befragten für Kontrolle aus, was darauf hindeutet, dass die USA wohl in der kommenden Zeit noch nicht um ihren Titel als Weltmeister im Waffenbesitz zu fürchten brauchen.
Quelle: OTS