vonOTS
APRIL 21, 2021
Erstmals Keramik-Skulpturen der Serie "Dissolution" von Erwin Wurm im musealen Kontext
Wien (OTS) - Das MAK lädt mit Erwin Wurm (* 1954) einen der international bedeutendsten Künstler*innen der Gegenwart in die MAK-Expositur Geymüllerschlössel ein. Unter dem Titel „Dissolution“ präsentiert Wurm in einer dramaturgischen Anordnung erstmals Skulpturen der gleichnamigen Serie (2018–2020) im musealen Kontext (Geymüllerschlössel, 8. Mai ? 5. Dezember 2021). Die plastische Masse aus Ton formte Wurm zu deutenden Händen, Mündern, Ohren oder anderen Fragmenten von Körperteilen, die mit den Sinnen – Tasten, Hören, Riechen, Schmecken – assoziiert werden.
Die englische Bezeichnung „Dissolution“ bedeutet Auflösung, Verfall, Zersetzung oder Entgrenzung. Mit seiner gleichnamigen Serie öffnet Erwin Wurm einen Dialog zwischen einem fragilen, soziopolitisch konnotierten Material, zeitgenössischer Skulpturensprache und der Neuinterpretation des Malerischen durch oszillierende keramische Lasuren. Die Skulpturen, aus denen sich Finger, Hände, Lippen, Münder, Busen, Bäuche, Nabel, Nasen oder Ohren schieben, schrauben sich aus einer Masse von Ton. Die experimentellen, surrealen Gebilde aus isolierten Körperteilen und Sinnesorganen gewinnen ein Eigenleben, ihre Volumina entwickeln eine expressive Präsenz.
Die keramischen Skulpturen bejahen das inhärent Plastische des Materials Ton. Sie erinnern an die Wirkmächtigkeit der Bozzetti, in denen Künstler*innen ab der Renaissance ihren innersten Ideen der Gestaltung direkten Ausdruck verleihen konnten. Bozzetti waren erste skizzenhafte Modelle, die als Vorstufen für Werke genutzt wurden, die in schwieriger zu bearbeitenden Materialien ausgeführt wurden. Maler*innen nutzten Bozzetti in Ton oder Gips für das Studium von Lichteinfall und Schattenwurf in ihren Gemälden und stellten sie auf miniaturhafte Bühnen. Bildhauer*innen bereiteten ihre Werke in Stein und Keramik im Bozzetto aus Ton selbst vor. Bozzetti enthüllen die künstlerische Konzeption des Werkes, dessen „Idea“ und stehen für die Autonomisierung der Kreativität von Künstler*innen.
Erwin Wurms skulpturale Körpersegmente nehmen die einzelnen Räume und Salons des Geymüllerschlössels von der Eingangshalle, der Bibliothek, dem Musikzimmer, dem Kuppelsaal, dem Schlafzimmer bis zum Orientzimmer ein und schaffen Tableaux vivants. Die Arbeiten, die an abstrakte Charaktere denken lassen, spiegeln Dekonstruktionen, Deformationen, Verzerrungen, Verdrehungen sowie Auflösung und Verfall wider. In den Formen verbindet der Künstler Realismus und Abstraktion. Die Besucher*innen erwartet eine Inszenierung aus facettenreichen Gesten eines imaginären Rollenspiels, bei denen die abstrakten skulpturalen Formen figurative, menschliche Züge annehmen.
In seinem Œuvre verbindet Erwin Wurm unterschiedliche Genres und überrascht mit der Vernetzung der malerischen Geste, der Bildhauerei, der Konzeptkunst, der Performance und der Erzählung. Gleichzeitig überzeichnet er die Funktionalität und Symbolhaftigkeit von Objekten. Wurm testet die konzeptuellen Grenzen der skulpturalen Form und ihrer Materialien. Staub, den er als Werkstoff einsetzt, impliziert das Moment der Zeit, Kleidung als zweite Haut oder Gehäuse erklärt er zu skulpturalen Körpern, deren Proportionen er erweitert oder verzerrt. Wurm schreibt die Funktionen von Möbelstücken neu und pflanzt Versatzstücke der Konsumkultur einer surreal kippenden Welt – das Auto, das Haus oder Samples österreichischer Esskultur – als Skulpturen.
Im Garten des Schlössels laden Erwin Wurms massive Skulpturen aus Carrara-Marmor als Diwane zum Sitzen ein. Die eingedrückten oder gequetschten Skulpturen "Sitting on Freud’s House" (2020) und "Sitting on Friedrich Nietzsche" (2020) spannen einen weiten Bogen zur Rolle des Künstlers, unsere Welt kritisch zu beleuchten und zu verzerren.
Die Ausstellung „ERWIN WURM. Dissolution“ markiert zugleich den Start der Saison im Geymüllerschlössel, die vom 8. Mai bis zum 5. Dezember 2021 dauert.
Bildmaterial zur Ausstellung steht unter MAK.at/presse zum Download bereit.
Mit freundlicher Unterstützung von DOROTHEUM
Dank an Thaddaeus Ropac London Paris Salzburg
Quelle: OTS