Österreich: Frauen und psychische Gesundheit - Forschung und Praxis im Dialog

vonOTS
NOVEMBER 30, 2024

Foto: Wiener Sozialdienste

Einblicke, Perspektiven und Erfahrungsberichte

Am 27. November 2024 fand die Veranstaltung „Frauen und psychische Gesundheit: Herausforderungen, Strategien und Perspektiven“ statt, moderiert von Karin Bauer von der Tageszeitung DerStandard. Im Rahmen der Feminale initiiert, boten die Wiener Sozialdienste eine Plattform, um aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung, professionelle Unterstützung und persönliche Erfahrungsberichte ins Gespräch zu bringen.

Begrüßung und wissenschaftliche Einblicke

Gisela Kersting-Kristof, Geschäftsführerin der Wiener Sozialdienste, eröffnete die Veranstaltung: „Wir wurden vom Büro für Frauengesundheit und Gesundheitsziele der MA24 eingeladen, etwas zum Thema Frauengesundheit zu planen. Schnell war klar, dass wir uns beteiligen wollen und die psychische Gesundheit bzw. Erkrankung im Fokus stehen soll - ein Thema, welches uns durch unsere tägliche Arbeit besonders wichtig ist.“

„Frauen kommen früher in Behandlung als Männer, was auch mit tradierten Rollenbildern zusammenhängt. Dennoch sehen wir bei Frauen häufiger Depressionen, Angststörungen und posttraumatische Belastungen.“, beleuchtete in ihrem Vortrag geschlechtsspezifische Aspekte psychischer Erkrankungen: „Frauen kommen früher in Behandlung als Männer, was auch mit tradierten Rollenbildern zusammenhängt. Dennoch sehen wir bei Frauen häufiger Depressionen, Angststörungen und posttraumatische Belastungen.“ Sie forderte mehr interdisziplinäre Zusammenarbeit, insbesondere zwischen Gynäkologie und Psychiatrie: „Wir wissen noch viel zu wenig über die Wechselwirkungen von Hormonen und psychischer Gesundheit, obwohl bekannt ist, dass z.B. jede fünfte Frau von einer postnatalen Depression betroffen ist und auch die Wechseljahre und die dazugehörige hormonelle Umstellung immer mehr zum Thema werden.“

Persönliche Erfahrungsberichte

Erfahrungsexpertin Michaela schilderte bewegend, wie ihr Leben durch psychische Erkrankungen geprägt wurde: „Ich wusste lange nicht, was mit mir los ist. Erst als ich Hilfe angenommen habe, habe ich gelernt, dass es keine Schande ist, anders zu sein. Wichtig ist: Lasst uns so sein, wie wir sind - ohne ungefragte Ratschläge oder Urteile.“ Sie betonte, wie sehr sie die Strukturen im HandWerk der Wiener Sozialdienste unterstützen: „Hier kann ich so sein, wie ich bin, und es gibt Raum für Rückzug, wenn es zu viel wird.“

Doris Binder berührte das Publikum mit ihrem Text „Gebranntmarkt - Psychisch Krank“: Sie sagt in diesem Text u.a.: „Seht uns nicht als Last, seht uns als Geschenk. Nutzt die Chance, die tausend Farben des Menschseins zu verstehen. Spottet der ‚Irren‘ nicht - es gibt keine Irren, nur andere.“

Tina Schäfer las einen Beitrag der Erfahrungsexpertin Asya, der die Unsichtbarkeit psychischer Erkrankungen thematisierte: „Du lachst doch, du bist doch nicht depressiv - solche Aussagen tun weh, auch wenn man sich daran gewöhnt. Es gibt gute Tage, aber auch Tage, an denen man gar nicht erst aufwachen möchte.“

Podiumsdiskussion: Wege aus der Isolation

Die Podiumsdiskussion brachte weitere Stimmen und Perspektiven ein. Michaela reflektierte: „Manchmal fühlt man sich mit einer psychischen Erkrankung abgewertet. Aber ich habe gelernt, dass man immer wieder aufstehen kann. Strukturen helfen dabei enorm.“

Erfahrungsexpertin Tanja betont: „Struktur ist generell sehr wichtig, auch aus der Isolation zu kommen, andere zu treffen, denen es genauso geht und nicht mehr das einzige „Sonderwesen“ zu sein.“

Beatrice Frasl, Kulturwissenschaftlerin, Podcasterin und Autorin betonte, dass psychische Erkrankungen uns alle betreffen können: „Wir alle haben ein Risiko, betroffen zu sein, oder kennen jemanden, der betroffen ist. Es geht uns also alle an“. Sie hob hervor, dass wir oft nur über körperliche Erkrankungen sprechen, weil diese sichtbarer sind: „Jeder kann sich vorstellen, sich etwas zu brechen oder im Laufe des Lebens körperlich zu erkranken. Bei psychischen Erkrankungen reden wir hingegen über „die anderen“ und meinen es hat nichts mit uns zu tun.“

Karina Purger, Bereichsleitung Wohnen der Wiener Sozialdienste, wird nach den Erfolgen gefragt, die sie in ihrer Arbeit sieht. „Es sind oft ganz alltägliche Dinge, die für unsere Klient:innen große Meilensteine darstellen - sei es, bei einer Veranstaltung wie dieser zu sprechen oder einen Plan erfolgreich umzusetzen.“

Angela Knotz, Bereichsleitung des HandWerks, ergänzt: „Unser Ziel ist nicht Produktivität, sondern Akzeptanz. Es geht darum, dass jede:r so sein kann, wie er oder sie ist. Für uns ist es ein Erfolg, wenn sich die Fehltage reduzieren und unsere Klient:innen den Weg zu uns in die Tagesstruktur finden.“

Schlussfolgerung und Ausblick

Die Veranstaltung zeigte eindrucksvoll, wie wichtig der Austausch zwischen Wissenschaft, Praxis und persönlichen Erfahrungen ist. Der Appell von Michaela bleibt an diesem Abend besonders nachdrücklich im Gedächtnis: „Gebt uns Verständnis und mehr Liebe, keine Urteile oder ungefragte Ratschläge.“

Die Wiener Sozialdienste sind führender Anbieter sozialer Dienste in Wien und erbringen vielfältige Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen, Senior:innen, gesundheitlich eingeschränkte oder sozial gefährdete Menschen und ihre Familien.

Quelle: OTS

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